24/7 THE PASSION OF LIFE
ein Film von Roland Reber
Deutschland 2005, Erotik-Drama, 115 min, FSK 18
- “Eine wilde Melange aus Poesie und Obszönitäten; angesiedelt irgendwo zwischen Jess Franco und Peter Greenaway.“ (Süddeutsche Zeitung)
- “Eine poetische Odyssee durch Lust und Leidenschaft, zwischen Perversion und Konvention. Auf jeden Fall ein nicht alltäglicher Film.“ (filmstarts.de)
- “24/7 The Passion of Life” befreit das Milieu von Schmutz, Schmuddel und dem Vorurteil düsterer Gewalt.“ (Abendzeitung)
- „Fantastischer Film. Mutig. Menschlich. Kraftvoll.“ (Thomas Sing, Geisteswissenschaftler)
2006 für ein Jahr im Kino
Erhältlich als: DVD/ Streaming
Deutschlandpremiere: Hofer Filmtage 2005
Mit Marina Anna Eich, Mira Gittner, Christoph Baumann, Michael Burkhardt, Reinhard Wendt
Kamera: Mira Gittner (DoP), Roland Reber. Schnitt: Mira Gittner
Musik: Wolfgang Edelmayer
Herstellungsleitung: Marina Anna Eich
Produzenten: Patricia Koch, Marina Anna Eich
Buch und Regie: Roland Reber
Produktion, Verleih & Vertrieb: wtp international GmbH
„Die Gesellschaft hätte gerne normierte Menschen, die funktionieren leichter. Aber kann man Gefühle normieren? Wer stellt denn diese Normen auf? Wer normiert uns? Und wer lebt uns? Viele sind nur Gelebte, keine Lebenden. Lebe dich.“
24/7 The Passion of Life ist ein provokant-poetischer Film über die Angst vor uns selbst, die Angst uns selbst zu begegnen im Spiegel unserer Leidenschaften im Spannungsfeld einer tabusetzenden und doppelmoralischen Gesellschaft : 24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche – die Passion des Lebens.
Die Hotelierstochter Eva (Marina Anna Eich) begegnet zufällig bei einer Motorradpanne der Soziologin Magdalena (Mira Gittner), die als Domina „Lady Maria“ in einem SM-Studio arbeitet. Fasziniert von der bizarren Welt der Lady Maria, feststellend, dass es in ihrer heilen Welt alles gibt außer Lust und Leidenschaft, begibt sich Eva auf die Suche nach ihrer Sexualität, ihrer ureigensten Identität, und beginnt eine Odyssee durch die verborgenen Orte der Lust – Orte, von denen alle so tun, als ob sie nicht existierten und die es doch überall gibt: SM-Studio, Swingerclub, Stripteasebar – eine Suche, die sie auch in Konflikt mit dem Normierungszwang und der Doppelmoral der Gesellschaft bringt.
Lady Maria setzt das Geschehen im Domina-Studio in Beziehung zu Religion – Anbetung, Beichte, Strafe als Akt der Vergebung – ebenso wie zu emotionalen Momenten wie Trösten, Geborgensein und Aussprechen. In einer scheinbar bizarren Welt entsteht eine Wärme für den Menschen mit seinen dunklen Seiten.
Eine lyrische Studie über Obsession und Einsamkeit, über die geheime Lust und die öffentliche Moral:
24 Stunden am Tag, 7 Tage in der Woche.
ANMERKUNG DES REGISSEURS
„In dem Film ist das Thema Sexualität ja auch eine Metapher für die Suche nach Identität. Es ist ein Weg, sich kennen zu lernen, sich durch Selbstdefinition ein bisschen an sich anzunähern. Und es ging mir auch darum, dass jetzt nicht ein Film entsteht, der sagt „werdet SMer und ihr seid frei, geht in einen Club und dann ist alles gut“ – Nein. Es ging mir auch um das Thema der Einsamkeit, mit der wir dem Leben gegenüberstehen.Es war ein Eintauchen, in eine Welt, die nicht unsere Alltagswelt ist. Aber wir haben den Dialog mit den Leuten aus den jeweiligen Szenen gesucht und versucht die Atmosphäre authentisch wiederzugeben. Das war ja die Problematik: wie schaffen wir es als Nicht-SMer oder Nicht-Swinger das glaubhaft darzustellen. Der Film ist fiktiv, beruht aber auf Recherchen, also real existierenden Phantasien, Personen, Geschichten – sowohl aus dem bürgerlichen Milieu, als auch aus den jeweiligen Szenen.
Sexualität ist ein universelles Thema, das leider allzu oft nur zur Quotensteigerung thematisiert wird. Ernsthafte Auseinandersetzung – auch mit dem uns Fremden – findet meist nicht statt.“ (Roland Reber)
Einfühlsam und weitab vom Klischee zeigt der Film in emotionalen und humoresken, in nachdenklichen und skurillen Momenten die Zerrissenheit seiner Protagonisten auf der Suche nach sich und dringt dabei mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit in die Bereiche ein, in denen der Einzelne völlig allein mit sich ist – ohne dabei den Figuren zu nahe zu treten oder sie zu denunzieren, sondern sie wertfrei als das zu akzeptieren, was sie sind, mit all ihrem Hang zur Verwirklichung und der Einsamkeit, die dahintersteckt, mit ihrem Suchen und ihrem Scheitern – es ist der Mensch, der hier befragt wird.
Regisseur und Drehbuchautor Roland Reber: „Es war uns sehr wichtig, durch viele Interviews, Vorortrecherchen und Literatur uns ernsthaft mit der Thematik auseinander zu setzen. Das Thema Sexualität ist in 24 / 7 THE PASSION OF LIFE auch eine Metapher für die Identitätssuche, die sich in der Sexualität vielleicht deutlicher ausdrückt als in anderen Bereichen, auch eine Metapher für das Leben. Der ganze Film ist ein Symbolismus und spielt mit archetypischen Elementen. “
Die Sexualität im Film wird als natürlicher Teilbereich des Menschen dargestellt, als lustvolle Erfahrung von sich selbst und des Lebens, als intensive Form der Kommunikation und wird weder als Tabu –Thema noch als Quotensteigerung behandelt, sondern es findet ein respektvoller Umgang statt, der nicht nur eine Abwertung des Menschen verurteilt, sondern ganz auf eine Wertung verzichtet.
Darstellerin, Kamerafrau und Drehbuchautorin Mira Gittner erklärt den Ansatz: „Sexualität ist individuell und da es nicht DEN Menschen gibt, gibt es auch nicht DIE Sexualität. Für jeden bedeutet Sexualität etwas anderes und niemand hat das Recht, vorzuschreiben, wie und ob jemand seine Sexualität zu leben hat, solange es im gegenseitigen Einvernehmen stattfindet. Ebenso ging es bei dem Film nicht um eine dokumentarische, sondern um eine lyrische Darstellung, nicht um die rein körperliche, sondern auch um die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema, es ging um die Essenz, um das, was dahinter liegt bzw. was wir dahinter vermuten. Das ganze Spektrum der sexuellen Ausdrucksmöglichkeiten aufzuzeigen würde das Volumen eines Spielfilms bei Weitem sprengen. Es ging uns ja auch nicht um eine Dokumentation der SM- oder Swinger-Szene mit allen Möglichkeiten der Sexualpraktiken, sondern um eine Geschichte über Menschen. Es war uns allerdings wichtig, die Atmosphäre der SM-Sessions oder des Swingerclubs authentisch wiederzugeben. Deshalb habe ich, um mich auf die Rolle der Domina vorzubereiten, auch einige Tage in einem SM-Studio assistiert.“
24 / 7 THE PASSION OF LIFE hatte seine Uraufführung im Oktober 2005 beim Sitges Filmfestival in Spanien und feierte seine Deutschland-Premiere auf den 39. Hofer Filmtagen 2005 mit drei ausverkauften Vorstellungen. Ab Februar 2006 lief er ein Jahr ununterbrochen in den Kinos und ist seit dem auf DVD erhältlich. Regisseur und Darsteller reisten zu 60 Publikumsgesprächen. 2011 wurde der Film auf ARTE ausgestrahlt.
Jedes Jahr zum 24.7. anlässlich des internationalen BDSM Tages wird er bundesweit in den Kinos wiederaufgeführt und löst immer wieder aufs Neue kontroverse Diskussionen aus.
SPEZIELLE ARBEITSWEISE
Das Drehbuch, das auf einer Grundidee basiert, beginnt mit ein paar wenigen Seiten, die dann im Laufe der Dreharbeiten ausgebaut und weiterentwickelt werden. Es wurde nicht improvisiert, die Szenen werden während der Dreharbeiten entwickelt, geschrieben und inszeniert.
Roland Reber versteht Filmemachen als kreatives Abenteuer: „Jeder hat die Möglichkeit seine Ideen und Kreativität einzubringen. Ich glaube nicht an Geschichtenerzählen im narrativen Stil, da das Leben nicht wie ein Roman ist, der nur einer Richtung folgt. Es ist multidimensional mit plötzlichen Wendepunkten.“
Mira Gittner: „Der Phantasie wird freier Lauf gelassen, es ist eher ein Aufschreiben von Gedanken, Assoziationen, Ideen, die später zu einem Ganzen zusammengefasst werden. So schreibt sich die Geschichte irgendwann von selbst.“
Der Fokus lag mehr darauf die Stimmungen und Situationen einzufangen, als sie zu erklären. Die Figuren geben keine vollständigen Erklärungen ihrer Verhaltensweise, sondern sie bleiben ebenso unvollständig wie im wirklichen Leben auch, denn all unser Wissen über uns oder andere ist niemals vollständig. Diese „Unvollkommenheit“ führt zu einem tieferen Einblick in die menschliche Seele und somit zu einem mehrdimensionalen Verstehen. Somit wirken die Figuren oft verloren oder einsam in ihrem Bestreben sich selbst zu enträtseln. Das Rätsel ist das Spannende, nicht die Eindeutigkeit, denn niemand ist das, was er zu sein scheint. Es bleibt dem Zuschauer überlassen, die Figuren zu enträtseln und diese Distanz mit seinen Emotionen und Assoziationen, wie auch immer geartet, zu füllen.“
DIE SCHAUSPIELER UND IHRE ROLLEN
Als der Entschluss gefasst war sich mit dem Thema Sexualität filmisch auseinander zu setzen, begannen die sehr umfassenden Vorarbeiten. Besonders die Schauspieler haben in ihren Rollen absolutes Neuland betreten. Neben Literatur und vielen Interviews hat Mira Gittner, die die Domina „Lady Maria“ spielt, im Vorfeld ein paar Nächte in einem Studio als Gast-Domina assistiert, um sich so einen Eindruck von dem Geschehen zu machen.
Mira Gittner: „Für mich ist das ein ganz normaler Vorbereitungsprozess für eine Rolle. Wenn ich eine Ärztin spielen würde, würde ich auch versuchen, ein paar Tage das Praxisleben mitzuverfolgen. Da ich mit der SM-Szene vorher noch nicht in Berührung gekommen bin, wollte ich meine persönlichen Erfahrungen machen. Ich wollte die Atmosphäre spüren, den Umgang miteinander, Alltäglichkeiten. Es musste für mich im Studio natürlich und normal werden. Außerdem musste ich erst mal lernen, auf hohen Schuhen zu laufen, ich trage privat meistens Turnschuhe. Man sollte als Schauspieler keine Berührungsängste mit seiner Rolle haben. Für mich war es spannend, die Möglichkeit zu bekommen, in die mir unbekannte Welt der SM-Szene einzutauchen. Die Poesie, Ruhe und Hingabe, die ich teilweise erlebt habe, das zärtliche, phantasievolle Spiel und vor allem die Kommunikation zwischen den Beteiligten haben mich beeindruckt. Aus all diesen Erfahrungen, Interviews und Recherchen ist dann die Rolle der „Lady Maria“ entstanden. Diese Figur ist Fiktion, so wie der ganze Film Fiktion ist, auch wenn die ein oder andere Geschichte oder Person authentisch ist, jede Szene ist geschrieben und inszeniert.“
Auch für Marina Anna Eich, die die Rolle der Eva spielt, waren die Dreharbeiten zu 24 7 / THE PASSION OF LIFE eine ganz besondere Erfahrung: „Interessant war es mitzubekommen, wie viele verschiedene Menschen mit diesen Themenbereichen zu tun haben, dies aber der Öffentlichkeit vorenthalten.“ Dass die Thematik allgegenwärtig ist und nur meistens dezent hinter geschlossenen Türen ausgelebt wird, wurde ihr durch ein Erlebnis abseits der Filmkameras bewusst: „Privat trage ich sehr gerne hohe Schuhe. Als ich während der Dreharbeiten beim Einkaufen war, sprach mich ein Mann an. Er erklärte, dass er Schuhfetischist sei und fragte mich, ob ich ihm kurz auf seine Hände treten würde. Er kniete sich vor mich hin. Zuerst war ich etwas perplex, doch ich tat es. Er stand wieder auf, bedankte sich glücklich und wünschte mir noch einen schönen Tag.“
Neben vielen Profischauspielern wie Marina Anna Eich (Eva), Mira Gittner (Lady Maria) und Christoph Baumann (Dominik) haben auch einige Laiendarsteller an dem Film mitgewirkt. So fing zum Beispiel die Rolle des Mike, gespielt vom Swingerclubbesitzer Michael Burkhardt, als kleiner Part an und entwickelte sich während der Dreharbeiten zu einer der Hauptrollen. Ebenso verlief es mit der Rolle der Elfriede, gespielt von Reinhard Wendt.
LOCATIONSUCHE
Regisseur Roland Reber: “Lokalitäten wie Swingerclub, SM-Studio und Striptease-Bar wurden in die Filmgeschichte integriert ohne moralisch zu wirken. Wie oft sieht man im deutschen Fernsehen einen Mord im Swingerclub, der Täter im SM-Studio etc, immer negativ behaftet. Wir wollten das Thema darstellen ohne die Moralkeule zu schwingen. Wir haben vor den Dreharbeiten lange mit Leuten aus den jeweiligen Szenen gesprochen und deren Erfahrungen auch in den Film mit einfließen lassen.“
Eine wichtige Voraussetzung, um eine authentische Atmosphäre sowohl beim Dreh, als auch im Film zu schaffen, war das Drehen an Originalschauplätzen.
Doch die Suche nach passenden Locations gestaltete sich nicht immer einfach. So war der Besitzer des Swingerclub „La Boum“ nicht unmittelbar begeistert von der Idee dort einen Spielfilm zu drehen: „Filmen – hier bei uns ? Daran haben wir überhaupt kein Interesse. …Wenn es sein muss, dann kommen Sie halt mal vorbei“ war seine erste Reaktion. Erst nachdem er etwas überrascht realisierte, dass es sich tatsächlich um ein seriöses Projekt handelte, zeigte er sich bereit, seinen Club für das Filmteam zu öffnen. Später stellte sich heraus, dass seine anfängliche Abneigung daher rührte, dass in der Vergangenheit des Öfteren Nachbarn versucht hatten sich auf diese Weise Zugang zum Club zu verschaffen.
Auch bei der ersten Locationbesichtigung des SM-Studios, hatte das Filmteam eine interessante Begegnung. Hinter dem Eingangs-Gitter saß ein nackter Mann mit Hundeohren und Halsband friedlich vor einem Wassernapf. Wider Erwarten waren nicht alle Studio-Gäste auf Diskretion bedacht und die Domina stellte den nackten Mann als „Bello, einen lieben Rottweiler“ der überraschten Mira Gittner vor, die die Hundeleine in die Hand gedrückt bekam, um mit Bello Gassi zu gehen. Diese Szene wurde dann später in den Film eingebaut.
BESETZUNG
EVA Marina Anna Eich
LADY MARIA Mira Gittner
DOMINIK Christoph Baumann
MIKE Michael Burkhardt
ELFRIEDE Reinhard Wendt
ALEXANDRA Sabine Krappweis
VATER VON EVA Zoltan Paul
JAN Jan Lebr
FRANZ Martin Bayer
LYDIA Lydia Hippel
STEPHANIE EVANS Patricia Koch
ESTHER Anja Schönleben
u.v.m.
STAB
Regie Roland Reber
Buch Roland Reber, Mira Gittner
Produzenten Patricia Koch, Marina Anna Eich
Kamera Mira Gittner (D.o.P.), Roland Reber
Schnitt Mira Gittner
Musik Wolfgang Edelmayer
Produktion wtp international GmbH
Produktionsjahr 2005
Drehzeit Juli – Dezember 2004
Locations München und Umgebung, Österreich
Preis: Jury Prize for BEST FILM, Faversham Film Festival, Kent, England 2013
Sitges Festival Internacional de Cinema, Spanien, 2005
Fantasporto International Filmfestival, Portugal, 2006
Mar del Plata Independente Int`l Filmfestival, Argentinien, 2006
International Filmfestival of India, Goa, 2009
International Chennai Filmfestival, Indien, 2009
Fünf Seen Film Festival, Starnberg, 2009
Faversham Film Festival, Kent, England, 2013
NYC Fetish Film Festival, New York, USA, 2014
Nachtschatten Fetisch / BDSM Film Festival, München 2014
- „24/7 The Passion of Life“ ist ein wahrer Independent Film, der durch seine provokante Thematik polarisiert…Auf jeden Fall ein nicht alltäglicher Film, der das Publikum spalten und die Filmwelt in Aufruhr versetzen wird.“ (Filmstarts.de, kompletter Artikel)
- “24/7 The Passion of Life” befreit das Milieu von Schmutz, Schmuddel und dem Vorurteil düsterer Gewalt.“ (Abendzeitung, kompletter Artikel)
- „Im Grunde ist „24/7“ mit seinen Ritualen der Sehnsucht eine komplexe Studie der Einsamkeit… Rebers Film ist eine SM-Oper mit absurd-komischen Szenen und melodramatischen Sequenzen, eine wilde Melange aus Poesie und Obszönitäten…; angesiedelt irgendwo zwischen Jess Franco und Peter Greenaway…“ (Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, kompletter Artikel)
- „Ein sehenswerter Film, den man vielleicht nicht mögen muss, aber der einen immerhin zum Nachdenken bewegt. Allzu viele Filme, von denen man das ernsthaft behaupten könnte, gibt es nicht.“ (Münchner Merkur, kompletter Artikel)
- „Der Film hat mich tief berührt. Er zeigt sehr behutsam auf, wie Menschen ihre geheimsten sexuellen Wünsche ausleben – ohne dabei zu bewerten oder zu verurteilen. Ein unterhaltsamer Spielfilm, der durch seinen offenen Umgang mit Sexualität und Liebe sehr unter die Haut geht. Ein Film, der nichts beschönigt damit keinen gleichgültig lässt. Absolut sehenswert!“ (Christine Janson, Journalistin, Autorin « Connection Special II/05 », kompletter Artikel)
- „Fantastischer Film. Mutig. Menschlich. Kraftvoll.“ (Thomas Sing, Geisteswissenschaftler, Universität Augsburg, komplette Rezension)
- „Wer dem Film auf seiner Reise durch SM-Studio und Swingerclub folgt, erlebt in ausdrucksstarken Bildern Abgründe wie Höhenflüge von Menschen, die auf der Suche nach sich selbst, ihrer Körperlichkeit und ihrem Gott sind.“(Christian Herz, Dipl. Theologe)
- „Aufwühlendes Programmkino mit Anspruch ohne erhobenen Zeigefinger. Absolut sehenswert!“ (Robert aka Fan, AK SM&Kultur, München)
- „24/7 The Passion of Life ist das gelungene Werk eines stark gefühlsorientierten Dramas der neuen deutschen Filmkunst.“ (Dietmar Wladek, Journalist)
- „Prickelndes, sexy Kino vom Besten – erinnert an „Last Tango in Paris“ – ein cineastisches Meisterstück.“ (Schani Krug, Produzent / Regisseur, USA)
- „24/7 The Passion of Life ist eine mächtige Bestätigung des Lebens, das mit kompromissloser Wahrheit die Verlogenheit und den Selbstbetrug unseres Lebens, unserer Kulturen und Religionen, erforscht, die den Mensch in der Äußerung und Erfüllung seiner intimsten sexuellen Sehnsüchte gerne Roboter-ähnliches Verhalten aufdrücken möchten. Das ist Filmemachen vom Feinsten.“ (Gordon Weaver, Filmpublizist, USA – leitete bei Paramount die Bereiche Marketing und Öffentlichkeitsarbeit)
- „24/7 The Passion of Life hat eine sehr wichtige politische Aussage.“(Andre Bennett, Produzent und Vertrieb, Canada)
- „Der Film bemüht sich um einen ehrlichen Einblick in die Schattenseite der deutschen Seele ohne diese ironisch wegzubügeln.“ (Dr. Andreas Rost, ehem. Förderung von Kunst und Kultur / Kulturreferat, München)
- „Roland Reber stellt die Lust in allen Spielarten als eine reine, wertfreie und vor allem ureigene menschliche Regung dar und enttarnt so unsere Gesellschaft als scheinheilig und borniert. Technisch mit minimalen Mitteln realisiert, beeindruckt der Film umso mehr durch seine Bildsprache, der Zuschauer bleibt Beobachter und wird nicht Teilnehmer des Geschehens.“ (WIDESCREEN, kompletter Artikel)
- „Der wohl erste deutsche Spielfilm, der sich die Mühe macht, SM so zu zeigen, wie es ist. Wobei es allerdings kein reiner SM-Film ist. Sondern ein Film über den Umgang der Gesellschaft mit Sexualität an sich. Ein Film über Religion und Doppelmoral.“ (Schlagzeilen, kompletter Artikel)
- „Für mehr Toleranz.“ (Neue Westfälische, Interview mit Marina Anna Eich, kompletter Artikel)
- „Wunderbar ist die Kameraarbeit. Viele Lichteffekte sind vom Feinsten. Und insgesamt ist der Film trotz des ungewöhnlichen, ja teilweise gefährlichen und voyeuristischen Terrains, auf dem er sich bewegt, ein heißer Diskussionsstoff. Sogar in Filmkunsttheatern und Programmkinos.“ (Programmkino.de, Thomas Engel, kompletter Artikel)
- Die „thelemische“ Antwort auf Gibsons „Passion of Christ“ Eine Breitseite auf die gesellschaftliche Konditionierung von Federico Tolli, Bischof der Freikatholischen Kirche zu Wiesbaden. Theologe, komplette Rezension
- „Auf jeden Fall kein Film, der einem eine Anleitung vorlegt, um damit glücklich zu werden, sondern eher noch mehr Fragen aufwirft, damit man über sich selbst Gedanken machen kann.“ (Jörg Junker, www.sm-in-nrw.de, kompletter Artikel)
- „Gut vorstellbar, dass ReligionslehrerInnen ihn würdigen – und mit ihren Oberstufenschülern zum Thema machen wollen.“ (Alfred Rott, Dipl. Theologe, komplette Rezension)
INTERVIEW MIT ROLAND REBER (Buch und Regie / Kamera)
Wie entstand die ursprüngliche Idee zum Film?
Es war bei den Filmfestspielen 2004 in Cannes. Ich hatte eine Verabredung zum Mittagessen mit einem amerikanischen Produzenten und Regisseur. Auf dem Tisch lagen Papiersets mit dem Hinweis auf einen „24/7-Büroservice in Cannes“. Dann habe ich dem Amerikaner gesagt, schau mal, gibt es das bei euch auch, 24/7 – was ja hier in Europa ein Begriff aus der SM-Szene ist. Und dann sagte er, ja, bei uns haben die Restaurants auch 24 Stunden geöffnet. Dann fingen wir an darüber zu diskutieren, über Wertvorstellungen, über Klischees, weil er kannte nur Klischees. Und da habe ich gesagt, du, ich bin jetzt selbst kein SMer, ich gehöre keiner Szene an, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Dominas so sind, wie sie bei RTL dargestellt werden. Und so wurde das Gespräch immer tiefer und dann haben wir haben gesagt, wäre das nicht ein Thema – das Thema der verdrängten Sexualität: Verdrängt vor den Augen der Mitmenschen, aber vor allem verdrängt vor uns selbst. Und dann haben wir eine sehr lange Recherche begonnen in Striptease-Bars, in Swingerclubs, überall, in den Orten, die es ja angeblich nicht gibt – aber jeder kennt sie. Und so entstand peu a peu die Idee für diesen Film.
In dem Film ist das Thema Sexualität ja auch eine Metapher für die Suche nach Identität. Es ist ein Weg, sich kennen zu lernen, sich durch Selbstdefinition ein
bisschen an sich anzunähern. Und es ging mir auch darum, dass jetzt nicht ein Film entsteht, der sagt, werdet SMer und ihr seid frei, geht in einen Club und dann ist alles gut, nein. Es ging mir auch um das Thema der Einsamkeit, mit der wir dem Leben gegenüberstehen.
Was bedeutet der Titel 24 / 7?
24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche – ein anderer Ausdruck für „immer“.
Der Film spricht von einer „Reise ins Reich der Sexualität“ und spielt auch mit dem uns „Fremden“, wie z. B. einem Domina-Studio. War es für Sie bei den Recherchen auch eine Begehung einer fremden Welt?
Es war ein Eintauchen in eine Welt, die nicht unsere Alltagswelt ist. Aber wir haben den Dialog mit den Leuten aus den jeweiligen Szenen gesucht und versucht die Atmosphäre authentisch wiederzugeben. Das war ja die Problematik, wie schaffen wir es als Nicht-Smer oder Nicht-Swinger das glaubhaft darzustellen.
Inwieweit ist der Film Phantasie und inwieweit beruht er auf Recherchen?
Der Film ist fiktiv, beruht aber auf Recherchen, also real existierenden Phantasien, Personen, Geschichten – sowohl aus dem bürgerlichen Milieu wie zum
Beispiel die Figur des Vaters, als auch aus den jeweiligen Szenen, wie die Figur der Elfriede -, die dann in die Geschichte eingearbeitet wurden.
War es schwierig, die teilweise sehr expliziten sexuellen Inhalte mit den Schauspielern umzusetzen?
Nein. Jedem Darsteller war es überlassen seine Grenzen selbst zu definieren und umzusetzen. Diese Arbeitsweise ist mein Prinzip seit über 20 Jahren. Für mich sind Schauspieler nicht Erfüllungsgehilfen der Regie oder eines Autors, sondern kreative Künstler, die ihre Rollen selbst gestalten. Zum Dompteur eigne ich mich nicht. Vielmehr sehe ich mich als Dirigent, der die Zusammenarbeit der Solisten koordiniert.
Ihre Schauspieler sind nicht nur Schauspieler, sondern häufig auch in anderen Bereichen des Filmemachens involviert – wie z.B. bei Schnitt, Kamera, Drehbuch, Produktion etc. Sie selber führen bei 24 / 7 The Passion of Life nicht nur Regie, sondern haben das Drehbuch geschrieben und kümmern sich um den Verleih. Was sind die Vorteile dieser Arbeitsweise?
In der Filmindustrie ist es immer mehr zu einer Spezialisierung gekommen einer Fragmentierung der Kreativität. Viele Kollegen meinen, es müsste eine Teilung der künstlerischen, technischen und verwaltungsbedingten Positionen geben. Dieser Meinung bin ich nicht. Kreativität ist nicht teilbar – nicht getrennt erkennbar – sondern ist immer ein holistischer Vorgang. Wir sind kein Konzern, der Filme produziert, sondern Filmemacher. Filmemacher machen Filme. Und das ist eben ein ganzheitlicher Prozess – und einer der Spaß macht. Mira Gittner z.B. hat nicht nur eine der Hauptrollen übernommen, sondern auch die Kamera und den Schnitt des Filmes gemacht und zusammen mit mir das Drehbuch geschrieben. Marina Anna Eich, ebenfalls eine der Hauptrollen, ist für die internationale Vermarktung, den Verleih und die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Somit vertreten wir „unseren“ Film und nicht ein Produkt anderer Leute. Ich würde nie von „meinem Film“ sprechen, sondern immer von „unserem“ – es ist ein Teamwork. Viele Schauspieler sehen sich oft selber in einer Erfüllungsposition. Sie sagen: „Ich habe bei einem Film mit gemacht“. Sie distanzieren sich mit der Begründung, sie seien ja nur Schauspieler. Bei uns ist niemand „nur“. Die Filmindustrie wird dominiert von Bankern und Geschäftsleuten. Sie rauben dem Film die Seele. Wenn ich diese aufgeblasenen Möchtegern-Filmrepräsentanten sehe, weiß ich, dass es Zeit wird den Film wieder an die zurückzugeben, die Filme nicht als Anlageobjekt, sondern als Aussage sehen – den Filmemachern.
Sie haben an Originalschauplätzen gedreht, u.a. in einem SM-Studio und in einem Swingerclub. Wie wirkte sich das auf die Arbeit an dem Film aus?
Ein Filmstudio ist immer Kulisse, der das Leben fehlt. Es ist und bleibt ein künstlicher Ort. Wir wollten an Orten drehen, die es allen Beteiligten erlaubten die Authentizität zu spüren.
Das Umfeld ist nicht ganz alltäglich – gab es Berührungsängste (im Umgang mit den „echten“ Beteiligten)?
Das Set eines Swingerclubs oder eines SM-Studios ist nicht alltäglich, aber die Menschen, die darin verkehren, sind es. Wenn man hinter die „Kulisse“ und die „Kostüme“ dieser Bereiche blickt, trifft man auf ganz alltägliche Menschen, die ihre Alltäglichkeit vielleicht für einen Moment abzulegen versuchen. Ich würde es als ein Disneyland für Erwachsene bezeichnen. Und Angst oder Abwehr entsteht ja immer nur, weil wir etwas nicht kennen, weil es
fremd ist. Und ich finde es sehr bedenklich im 21. Jahrhundert, dass es wirklich passiert ist, als wir gesagt haben, wir drehen einen Film, der u. a. auch in einem
Domina-Studio spielt, dass gebildete, intelligente Menschen ernsthaft gefragt haben, wie wir uns schützen, wenn wir mit „solchen“ Menschen zu tun haben. Ich fand die Frage amüsant, denn die Menschen, die ich in dem Studio getroffen habe, waren so harmlos normal, dass sie sehr enttäuscht gewesen wären, wenn sie da mitgegangen wären. Aber da ist mir klargeworden, dass sich eigentlich relativ wenig – an der Oberfläche viel – im Eigentlichen nichts bewegt hat und dass vor allem eine immer größere Abwehr gegenüber dem uns Fremden stattfindet.
Gab es bei den Dreharbeiten eine Erfahrung, die Sie besonders beeindruckt hat?
Mich hat jeder Drehtag beeindruckt. Sicher, es gab viele Erlebnisse, die ab jetzt zu meinem Anekdotenschatz gehören. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Allein die Recherche zu diesem Film hat uns oft in Situationen gebracht, die Erinnerungswert haben. Zum Beispiel als wir den Drehort für die Swingerszenen suchten, hatte uns der Besitzer eines Swingerclub fast die Tür vor der Nase zugeknallt, weil er glaubte, wir seien von den Nachbarn geschickt, um seine Gäste auszuspähen. Auch das Casting der „Originalswinger“ hatte seine Reize. Zumal wir erst einmal klar machen mussten, dass wir keine 160. Folge für „Liebe Sünde“ oder ein Erotikmagazin von RTL drehen wollen. Wenn Sie den Begriff „beeindrucken“ benutzen, so kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung nur sagen, dass etwas einen Eindruck hinterlässt, was wir noch nicht kennen. Sobald das nicht Gekannte in den Erfahrungsschatz integriert wird, verliert es seine hervorgehobene Stellung und wird alltäglich. In unseren Produktionsnotizen können Sie einige Erlebnisse finden, die das demonstrieren.
Was war Ihre Motivation sich mit den Themen sexuelle Obsessionen / Perversionen auseinander zu setzen? Was wollen Sie dem Zuschauer vermitteln?
Sexualität ist ein universelles Thema, das leider allzu oft nur zur Quotensteigerung thematisiert wird. Ernsthafte Auseinandersetzung – auch mit dem
uns Fremden – findet meist nicht statt. Pervers kommt vom lateinischen „perversus“ (verdreht) – also erst einmal nichts Negatives. In unserer Gesellschaft wird „pervers“ aber meist abwertend verwendet. Pervers sind für mich eher Begriffe aus der Politik und unserer Sozialmoral. Für mich ist ein Mensch, der sich jeden Tag in Arbeit, Familie und Gesellschaft prostituiert, perverser, als ein Mensch, der seine sexuelle Neigung lebt. Natürlich nur dann wenn er die Selbstbestimmung und die Freiheit des Gegenüber achtet. In jeder Stadt existieren die Un-Orte (Stripteaselokale, Swingerclubs, SM-Studios, Puffs), die die Gesellschaft schamhaft verdrängt, aber dennoch besucht. Sexuelle Phantasie verstecken viele sogar vor sich selbst. Sie versuchen, sich der vorherrschenden Meinung anzupassen, ja nicht aufzufallen. Aber dadurch machen sie die Phantasien ja nicht ungeschehen. Sie warten eben auf den nächsten Urlaub, den Fasching oder das Oktoberfest….Das alles war für uns Motivation genug uns dieses Themas anzunehmen.
Wie sehen Sie das Thema Sexualität in Bezug zur heutigen Gesellschaft?
Mitte der 70iger Jahre dachte ich, die Zeit der sexuellen Unterdrückung, oder dass das überhaupt noch ein Thema ist, sei vorbei und jetzt sei das endlich liberal. Aber ich stelle v. a. seit den 90igern eine starke konservative Tendenz fest, nur dass der Schein trügt und die Oberfläche liberal erscheint. Man sieht also auf Illustrierten nackte Körper, die Leute kleiden sich sexy, aber es ist nichts dahinter. Es ist eine Sexualverleugnung, die stattfindet, die wahrscheinlich auch politisch gewollt ist. Die Gesellschaft setzt immer bestimmte Spielräume und solange Sie sich innerhalb dieser Spielräume bewegen – das meine ich mit Oberfläche – erscheint es liberal. Aber bewegen Sie sich mal außerhalb, dann werden Sie sehr schnell die Grenzen erfahren. Ich glaube, dass wir endlich zu einer Toleranz innerhalb der Gesellschaft kommen sollten, in der eine sexuelle Ausrichtung nicht mehr Grundlage einer beruflichen und sozialen Beurteilung ist, sondern in der das wirklich privat ist.
Der Film spielt ja auch mit einer gewissen religiösen Symbolik. Wo sehen Sie den Bezug zur Religion?
In dieser Gesellschaft sind wir alle, ob wir das wollen oder nicht, ob wir einer Religionsgemeinschaft angehören oder nicht, seit 2000 Jahren von einem christlichen Weltbild geprägt. Und somit auch von 2000 Jahren Sexualmoral, die eine Errungenschaft der römisch-katholischen Kirche ist und die unhinterfragt – woher kommt diese Moral, ist sie gebaut, wer hat sie gebaut, warum wurde sie gebaut – unsere Gesellschaft beeinflusst. Ich bin nicht religionsfeindlich, im Gegenteil, ich denke, jeder Mensch sollte an das glauben, was er möchte. Das ist der erste Verbindungspunkt zur Religion. Der zweite ist, dass Sexualität ebenso eine Suche ist nach Identität, nach Überwindung von Einsamkeit, eine Suche nach sich selbst und einem Ursprung, wie auch immer man ihn nennen mag. Religion und Sexualität haben einen großen Bezug, wenn man ihn akzeptiert.
Neben den Hauptdarstellerinnen Marina Anna Eich und Mira Gittner sind in 24/7 The Passion of Life auch Laiendarsteller zu sehen. Wie verlief das Casting zu diesem Film?
Neben zahlreichen Profischauspielern haben auch einige Personen aus der Szene an dem Film mitgewirkt. Für die Statisten im Swingerclub wollten wir zunächst „Nicht-Swinger“ einsetzen. Das wäre meiner Meinung nach aber peinlich geworden. Wer es nicht gewohnt ist im Tigertanga und Reizwäsche auf Barhockern zu sitzen – und dabei auch noch natürlich wirken soll -, wird an dieser Aufgabe scheitern. Also haben wir den Swingerclubbesitzer gebeten, unter seinen Gästen zu fragen, wer Interesse daran hat in einem Film mitzuwirken. Danach hat es viele Gespräche und eine letztendliche Auswahl gegeben. Die Dreharbeiten waren sehr angenehm, weil es allen Beteiligten viel Spaß gemacht hat. Im SM-Studio haben die Gäste sehr schnell mitbekommen, dass Dreharbeiten im Gange waren. Der Eine oder Andere hat uns angesprochen und wir haben zwei von ihnen ausgewählt.
Wie kamen Sie zum Film?
Ich habe 20 Jahre lang als Schauspieler, Autor und Regisseur in Deutschland und auf internationaler Ebene Theater gemacht. Wenn ich etwas sagen wollte,
schrieb ich ein Stück und inszenierte es. Irgendwann kam der Punkt, an dem mir bewusst wurde, dass die Bühne beschränkende Grenzen hat, die überschritten
werden sollten. So kam ich zum Filmemachen, weil mir Kino die kreative Freiheit gibt und es viel näher am Zuschauer ist als das Theater. Für mich ist Filmemachen ein Dialog und es ist näher an mir selbst. Jedoch, wie ich mich selbst nicht völlig verstehe, verstehe ich auch meine Filme nicht völlig. Auch wenn die Filme, die ich mache, eine erkennbare Handschrift haben, so hängt der Stil und die Handhabung des jeweiligen Films vom Thema ab und das unterscheidet sich vom einem zum anderen.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Zurzeit recherchiere ich zusammen mit Mira Gittner zu dem Thema Bewußtseinskontrolle. Es ist ein spannendes Thema, das wieder ein heißes, wenn
auch nicht sexuelles, Thema anpackt. Es geht um Manipulation, Geheimforschung und Politik. Hier wäre die Frage nach der „Perversion“ angebrachter.
„Scham ist nur Angst vor dir selbst“ – 24/7 THE PASSION OF LIFE
Publikumsdiskussion während der 39. Hofer Filmtage 2005
Zuschauer 1:
Bei Leuten, die mit BDSM nicht viel zu tun haben, könnte doch eigentlich der Eindruck entstehen, dass so was nur über die finanzielle Schiene läuft, also nur im Domina-Studio, halt nur so im horizontalen Gewerbe.
Roland Reber:
Nein. Die ist ja die kleinste BDSM-Szene, die professionelle. Die private BDSM-Szene ist ja viel größer. Nur da hätten wir folgendes Problem, rein dramaturgisch. Ich zeige Sie jetzt, als Beispiel. Dann wird da hinten oder hier vorne jemand sagen, ja halt, aber ich bin ganz anders. Also hätten wir Dutzende von Geschichten erzählen müssen in Dutzenden von verschiedenen Surroundings und wir hätten zu jedem eine Geschichte erfinden müssen.
Mira Gittner:
Es ist in dem Fall ein neutraler Ort.
Zuschauer 1:
Vielleicht, ja.
Mira Gittner:
Weil, man kann einfach nicht die ganze BDSM-Szene zeigen. Darum geht es auch nicht in dem Film. Wir wollten kein dokumentarisches Abbild der ganzen Vielfalt der BDSM-Szene machen, sondern es ist ein Film über zwei Frauen und eine davon ist Domina in einem Studio.
Roland Reber:
Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit der 70iger erinnern, und da waren Filme wie z. B. die von Rosa von Praunheim politisch unheimlich wichtig. Ich habe aber gedacht, die Zeit wird langsam vorbei sein, es wird eine Liberalisierung eintreten, irgendwann braucht man keine Thematisierung des Themas Sexualität mehr, weil wir so liberal geworden sind, weil wir so tolerant geworden sind, dass es nicht mehr notwendig ist. Ende 80 fing es an, 90iger waren ganz schlimm und wir bewegen uns immer mehr auf eine restriktive Gesellschaft zu und keiner merkt es. Oder die, die es merken, sagen es nicht. Und da man solche Themen meistens diffamiert darstellt, meinetwegen ein BDSM-Studio ist ja meistens ein Tatort, man findet eine Leiche dort oder den Täter dort, aber es wird ja nie als real existierender Ort mit vollkommen normalen Menschen dargestellt.
Zuschauer 3:
Es gibt aber auch einen Fortschritt. Schauen Sie mal in die 50iger und 60iger Jahre und schauen Sie heute.
Roland Reber:
Ja, an der Oberfläche.
Zuschauer 3:
Nicht nur an der Oberfläche, es hat sich auch unter der Oberfläche etwas verändert. Es hat sich auch an der Oberfläche nur zum Teil was verändert und es hat sich auch nur was verlagert, aber die Gesellschaft heute ist eine andere als in den 50iger und 60iger oder auch Anfang der 70iger Jahre und die individuellen Möglichkeiten sind heute schon größer als die, so wie sie damals waren. Es ist vielleicht noch nicht alles erreicht, stimme ich Ihnen auch zu, ich würde mir auch einiges anders wünschen als heute, aber der Weg, der da zurückgelegt worden ist, ist doch erkennbar.
Roland Reber:
Sehen Sie, weil mein Thema die Toleranz ist, kann ich das nur noch mal wiederholen, an der Oberfläche haben Sie vollkommen recht. Aber wenn Sie heute zum Beispiel durch Hof, durch München, durch Frankfurt laufen würden – oder als Lehrerin zu ihrem Chef – und würden sagen, ich bekenne mich zu meiner Obsession, dann werden Sie die Grenzen sehr schnell sehen und die Nicht-Fortschrittlichkeit. Sondern die Gesellschaft setzt immer bestimmte Spielwege, bestimmte Spielräume und solange Sie sich innerhalb dieser Spielräume bewegen – und das meine ich mit Oberfläche – hat sich heute viel verändert. Aber bewegen Sie sich mal außerhalb und Sie werden sehen, wo die Restriktion in dieser Gesellschaft noch vorhanden ist. Sprechen Sie mal mit den Betroffenen, gehen Sie mal näher ran.
Zuschauer 3:
Gut, Sie müssen dann aber auch schauen, in welcher Art und Weise artikuliere ich mich. Artikuliere ich mich in einer Weise, die vielleicht gerade modisch in ist oder die auf einer gewissen intellektuellen, sagen wir mal Metaebene steht, da habe ich es natürlich viel leichter als artikuliere ich mich im Sinne des Rests der Gesellschaft eher primitiv. Und es ist auch eine Stilfrage und über die Stilfrage schaffen Sie Akzeptanz oder Sie schaffen Widerspruch. Und da ist es auch, wie bei jedem Marketing, wie vermarkte ich diese Idee oder wie vermarkte ich mich selbst innerhalb der Gesellschaft. Und die einen können das ein bisschen besser, die anderen ein bisschen schlechter oder es gibt bessere Methoden, es gibt schlechtere Methoden. Und deshalb möchte ich das auch nicht so pauschal akzeptieren, was Sie gesagt haben.
Roland Reber:
Für mich ist es so, alles was erwachsene Menschen freiwillig, mit der großen Betonung auf freiwillig, tun, sollte diese Gesellschaft, sollte überhaupt jede Gesellschaft als eine natürliche und legitime Ausdrucksweise der Richtung, der Obsession, nennen Sie es wie Sie wollen, tolerieren und das ist eben nicht der Fall.
Zuschauer 3:
Das hat aber auch Grenzen. Wenn zwei Menschen sich freiwillig, nehmen wir diesen Kannibalen da oder so was, also einer lässt sich praktisch zerstückeln und aufessen, das ist eine Grenze, die nicht überschritten werden darf in der Gesellschaft, auch wenn zwei Leute gesagt haben, okay, wir machen da sogar einen Vertrag drüber und so weiter. Die Freiheit des Einzelnen hat auch Grenzen in der Gesellschaft. Sonst ist ein Zusammenleben nicht mehr möglich, sonst ist ein sinnvolles Funktionieren der Gesellschaft nicht möglich.
Roland Reber:
Gut, nur ich sprach von sexuellen Obsessionen, das wäre jetzt eine Frage, die müsste an Rosa von Praunheim gehen, weil der hat den Kannibalen ja in seinem Film thematisiert.
Und Angst, Abwehr entsteht ja immer nur, weil wir es nicht kennen, weil es fremd ist. Und ich finde es sehr bedenklich im 21. Jahrhundert – wo ich 1975 schon gedacht habe, das sind alte Kamellen – dass, als wir wir gesagt haben, wir drehen einen Film, der unter anderem in einem Domina-Studio spielt – da kam dann etwas, da hörte der Spaß auf, denn die haben dann gesagt, ja gut, wenn ihr meint ihr müsstet so was darstellen, Hauptsache sie töten keine Kinder. Und diese Verbindung habe ich nicht von einem gehört, ich habe sie von Dutzenden gehört. Und zwar von relativ intelligenten Menschen. Und da ist mir klar geworden, dass sich eigentlich relativ wenig, an der Oberfläche viel, im Untergrund nichts bewegt hat. Dass es immer konservativer wird und dass vor allen Dingen eine immer größere Abwehr gegen das Fremde stattfindet. Und wenn man endlich aufhören würde, einen Menschen nach seiner Obsession zu beurteilen. Wenn man einfach sagen würde, solange jemand etwas freiwillig tut und auf ein freies Individuum keinen Zwang ausübt, soll man ihn tun lassen und man braucht es noch nicht mal zu thematisieren. Aber anscheinend ist das alles wieder rückläufig.
Zuschauer 4:
Es bleiben ja alle auf der Suche in diesem Film. Alle bleiben auf Suche.
Roland Reber:
Ich glaube jeder, der sich definiert oder beginnt zu definieren, ist ein Stück seiner Befreiung näher, ja. Weil sehr viele ja vor sich selbst den Schleier legen. Wenn ich jemanden frage, hast du eine Obsession, was sind deine Sehnsüchte, deine innersten Wünsche, dann belügen die Menschen ja nicht mich, sondern sich selbst mit ihren Antworten. Und wenn jemand beginnt sich zu definieren, sei es gesellschaftlich, sei es sexuell, ist er ein Stück dieser Befreiung – er ist nicht frei, er ist nicht nicht-einsam – aber er ist ein Stück der Nicht-Einsamkeit vielleicht näher gekommen.
Zuschauer 2:
Wieso ist das religiöse Thema so stark?
Roland Reber:
Ich finde, dass, ob wir glauben oder nicht, ob wir einer Religionsgemeinschaft angehören oder nicht, dass wir alle von einem christlichen Weltbild seit 2000 Jahren geprägt sind – ob wir das wollen oder nicht. Es ist ja auch keine Kritik an der Religion, sondern es Kritik an der Kirche und das ist einer meiner Themen, die ich seit vielen Jahren empfinde und auch ungeheuerlich finde, dass wir immer noch einer christlichen Sexual- und Sozialmoral anhängen, die wir nicht zu verantworten, die wir nur zu erleiden haben. Das ist der eine Verbindungspunkt zur Religion in dem Film. Der zweite ist der, dass Sexualität ebenfalls eine Suche sein kann nach Identität, nach Überwindung von Einsamkeit. Religion und Sexualität haben einen riesengroßen Bezug, wenn man ihn akzeptiert. Für mich sind beides Wege des Menschen, seine Einsamkeit zu überwinden. Und bewusst praktizierte Sexualität kann Religion sein.
Zuschauer 5: Das stimmt.
Zuschauer 10:
Also ich verstehe den Film so, dass Sie auch die Personen hinterfragen.
Roland Reber:
Ich hinterfrage nicht nur die einzelnen Personen, ich hinterfrage vor allen Dingen die gesellschaftlichen Zustände. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es Un-Orte gibt – also, diese Orte gibt es gar nicht, keiner war je dort, jeder weiß wo sie sind – und die Doppelmoral. Und immer mit dem Finger zeigen, der da, die da macht das und das, ist das und das, und als wir anfingen zu recherchieren hatten wir eigentlich eine ganz andere Geschichte im Kopf, einen ganz anderen Plot, und dann haben wir uns gesagt, bevor wir uns jetzt wieder in die Schiene der traditionellen Darstellung begeben, also Domina-Studio als Tatort, da geht höchstens mal der Kommissar rein, um jemanden zu verhaften, die Domina schwingt immer die Peitsche hat aber hinter ihrem Domina-Gesicht kein anderes, da haben wir gesagt, wir gehen wirklich in die Szene, wir recherchieren wirklich vor Ort, was anfangs nicht ganz einfach war. Dann hat man aber begriffen, wir wollen wirklich die Szene nicht diffamieren, wir wollen auch keinen Sensationsreport daraus machen, es ist keine Fernsehreportage, sondern wir haben wirklich Interesse und dann war uns jede Tür eigentlich offen. Und als Kollegen erfahren haben, wir drehen dieses Thema, kamen zum Beispiel Fragen auf: Wie schützt ihr euch? Da haben wir gesagt, vor was sollen wir uns schützen, vor wem? Ja, wenn ihr da hingeht, die sind ja nicht normal. Also die haben sich vorgestellt, wenn man Leute besucht, die zum Beispiel in ein Domina-Studio gehen oder die BDSM praktizieren, dass das furchtbar gefährliche Menschen sind, bizarre Menschen, die eigentlich überhaupt kein Leben haben. Wir haben genau das Gegenteil festgestellt. Jeder von Ihnen könnte der Szene zugehörig sein. Man sieht es im Alltag nicht. Es sei denn, es ist ein spezieller Anlass, dass zum Beispiel eine Fetisch-Veranstaltung stattfindet, dann natürlich schon. Der BDSM-Szene gehören Menschen wie Sie und ich an. Und da fingen wir an nachzudenken und haben dann auch Geschichten gehört, wie zum Beispiel die von Elfriede, und haben gesagt, es geht uns nicht um Realismus, es geht uns nicht um einen Dokumentarfilm. Wir wollen eigentlich ein paar Dinge erzählen und benutzen das als Symbol. Als Symbol für eine Suche. Die Suche nach sexueller Identität eigentlich als generelle Suche nach Identität.
Zuschauer 10:
Glauben Sie, dass man diese Suche – dass man die ganz allein angehen kann?
Roland Reber:
Ja. Der Betrug oder die Heuchelei, die stattfindet, ist ja nur an der Oberfläche anderen gegenüber. Wenn ich Sie also jetzt fragen würde, gehen Sie in einen Swingerclub oder auf Fetisch-Partys, dass Sie das in der Öffentlichkeit oder beim Elternabend nicht ausplaudern, würde ich auch nicht als Heuchelei bezeichnen. Sondern das ist ein gesellschaftlicher Schutzmechanismus, der Sie vor viel Ärger schützt. Aber viele Menschen belügen sich selbst. Sie heucheln vor sich selbst. Und wenn Sie beginnen auf irgendeinem Gebiet Ihres Lebens eine Identitätsbestimmung zu machen, zu sagen so bin ich, muss ja nicht stimmen, das ist ja erst mal ein Weg dahin, sich zu definieren, dann sind Sie Ihrer Erlösung – oder wie immer man das nennen mag – ein Stückchen näher gekommen. Aber das können Sie eigentlich nur allein.
Und wir wurden auch oft gefragt, wie ist das mit Perversen zu arbeiten. Dann habe ich immer wieder gesagt, pervers kommt aus dem Lateinischen und heißt verdreht. Und wenn man sieht, was hier die Norm ist und dass viele Menschen sich einfach nur an eine Norm halten, sie nie hinterfragen, sie nie in Frage stellen, sie nie thematisieren, sondern einfach sagen, das ist die Norm, das ist normal, dann heißt pervers sein ja nur, sich von dieser Achse der Normalität verdreht mal wegwenden, mal gucken, wo ist eigentlich diese Achse der Norm, diese Normachse, und das kann eigentlich nur gut tun.
Zuschauer 12:
Mir kam das so vor, die Leute reden viel von Leidenschaft, aber sie wirken in dem Film nicht wirklich glücklich. Ist das so ein Abbild der Szene?
Mira Gittner:
Nein, das ist ein Abbild des Menschen, würde ich sagen. Der Mensch in seiner Ganzheit ist ein sehr weites Spektrum. Sexualität ist ein sehr wichtiger Teilbereich, aber ein Teil-Bereich und nicht alles. Man kann jetzt nicht sagen, ich lass mir auf den Arsch kloppen und bin dann ein besserer Mensch oder ein glücklicherer Mensch, das funktioniert nicht. Da sind ganz viele Selbstdefinitionen, die gemacht werden müssen. Und es ist ein einsamer Weg. Jeder Mensch ist ein Individuum, es gibt nicht DEN Menschen, deshalb gibt es auch nicht DIE Sexualität und jeder muss diesen Weg für sich alleine gehen und dadurch ist jeder Mensch eigentlich in gewisser Weise einsam. Bei der Figur Lady Maria / Magdalena ist ja genau dieser Zwiespalt, dass sie in ihrer Ganzheit gerne gesehen werden würde, aber die einen sehen nur Lady Maria und die anderen nur Magdalena und da fehlt ihr das Glück der Ganzheit. So würde ich das sehen.
Zuschauer 13:
Mir kam es so vor – oder so habe ich es interpretiert zumindest, dass Lady Maria im Film ja im Prinzip versucht, den anderen den Weg vorzugeben, für sich selber aber auch gleichzeitig versucht, ein bisschen das Leben zu encodieren, quasi auf die eigene Lösung zu kommen.
Zuschauer 6:
Wie sind die Schauspieler überhaupt da rangegangen, also ich meine, das ist ja doch ein eher ungewöhnliches Thema, wo man ja auch vielleicht eigene Barrieren überwinden muss.
Mira Gittner:
Also meine größte Barriere – die einzige „Barriere“ – war, auf diesen hohen Schuhen laufen zu müssen. Und ich habe gesagt, wenn ich die Domina spiele, dann möchte ich mich auch nicht lächerlich machen. Ich bin davor noch nicht mit der BDSM-Szene in Berührung gekommen, also habe ich einfach im Studio angefragt, ob ich ein paar Tage mitmachen kann. Und so habe ich drei Nächte als Gast-Domina assistiert. Ich wollte die Atmosphäre spüren, wollte, dass es für mich vor allem natürlich wird, damit ich die Rolle auch authentisch spielen kann. Ich würde das genauso auch für eine Bäckermeisterin oder Ärztin machen, wenn ich keine Ahnung davon habe. Meine Art des Spielens ist nicht die Distanz, also schaut her, ich spiele jetzt eine Domina, aber ich habe damit nichts zu tun, ich mach auch „so was“ nicht. Ich will authentisch spielen und das war für mich also die Vorbereitung.
Zuschauer 7:
Was war das für eine Erfahrung?
Mira Gittner:
Es war sehr, sehr spannend. Es ist eine unheimlich friedlich ruhige Stimmung – in diesem Studio zumindest – gewesen und was mich sehr fasziniert hat, ist die Kommunikation und der Austausch, der stattfindet und der spielerische Umgang mit Sexualität.
Zuschauer 11:
Hat sich da was verändert für euch?
Mira Gittner:
Also es ist nicht „ansteckend“.
Marina Anna Eich:
Nur die Einstellung, dass die Klischees einfach nicht stimmen. Das sind wirklich ganz normale Menschen, das ist sogar sehr viel intimer, sehr viel zärtlicher wie jetzt vielleicht in manchen Ehebetten. Meine Meinung.
Roland Reber:
Die Mira zum Beispiel sagte nach ihrer ersten Nacht als Gast-Domina, ach war das poetisch. Und dann hat sie Sachen geschildert, wo ich mir beim besten Willen die Poesie nicht dabei vorstellen kann und dann hat sie gesagt, ja dann müsst ihr da mitgehen, das müsst ihr selber erleben. Und dann waren wir während der Dreh-Pausen im Studio bei ein paar Sessions und waren quasi Voyeure, die dabei sein durften und ich muss sagen, ich war sehr beeindruckt von dieser Kommunikation, die da stattfindet, verbal und non-verbal. Und da war dann plötzlich auf beiden Seiten das Vertrauen da.
Zuschauer 11:
Und vorher war eine Angst, oder?
Roland Reber:
Nein.
Mira Gittner:
Vor was?
Zuschauer 11:
Also ich finde das – ich will nicht missverstanden werden – also ich finde das wunderbar, dass das Thema hier so behandelt wird, aber ich hätte da schon sehr schweißige, schwitzige Hände, wenn ich das erste Mal dahin, wenn ich mich entscheiden würde, jetzt das erste Mal da hinzugehen. Also mich würde das emotional ganz schön durcheinanderbringen, erst mal.
Mira Gittner:
Also es herrscht da eine unheimliche Ruhe und eine unheimliche Friedlichkeit. Weil einfach die Menschen, die da reingehen, wissen, dass sie da reingehen, es gerne machen, es freiwillig machen und da ihre … ja, ihre Befriedigung finden und das strahlt einen unheimlichen Frieden aus.
Roland Reber:
Und das finde ich überhaupt ganz wichtig, wenn man sich einem Thema nähert: Man sollte erst mal alle Vorurteile sammeln, die man selber hat, die in einem selber sind, und sollte die auch richtig gut pflegen. Und wenn man aber dann dahin geht, egal an welchen Ort, egal zu welchem Thema, dann sollte man sich absolut freimachen, als wäre man der größte nichtwissende Idiot und die andere Seite voll zulassen, einfach gucken, was passiert. Dann sollte man wieder ein paar Tage Pause machen und dann sollte man ernsthafte Gespräche beginnen. Nur das befreit einen selbst von dieser Matrix, der wir ständig unterliegen. Dass wir immer denken, wir wissen, was da los ist – meistens wissen wir es nicht. Es ging mir aber auch darum, dass jetzt nicht ein Film entsteht, der sagt, haut euch auf den Arsch und dann seid ihr frei. Geht in einen Club und danach ist alles paletti, nein. Sondern mir ging es auch um das Thema, das mich mein ganzes Leben begleitet, die Einsamkeit, mit der wir dem Leben gegenüberstehen. Egal, ob wir ein wunderbares Team haben, egal, wie unsere Privatbeziehung aussieht, wir bleiben letztendlich einsame Tiere. Und die einen vielleicht etwas befriedeter wie jemand, der seine Sexualität oder Leidenschaften nicht lebt.
Aber zurück zu deiner Ausgangsfrage. Es ist auch so, dass ich jetzt nach den Dreharbeiten des Öfteren gefragt wurde, wie kriegst du die Schauspieler soweit? Die Frage müsste genau andersrum lauten. Wenn wir einen Stoff wie den jetzt angegangen sind, war es jedem Darsteller, jedem freigestellt, was er selbst anbietet. Es gab einen Notplan, quasi ein Minimum, das hätte erfüllt werden müssen, damit die Geschichte noch irgendwie transportiert werden kann. Aber ich bin kein Dompteur. Ich verstehe Regie auch nicht als Dressur, sondern wir setzen uns dann zusammen, es ist ein Urtext da, der dann später ganz anders aussehen kann, und jeder Schauspieler, jede Schauspielerin macht ihre Darstellungsvorschläge, wie sie die Rolle gern darstellen würde. Der Christoph zum Beispiel, der die Rolle des Jesus spielt, hat sich ganz anders an seine Rolle rangetastet. Christoph kam in den ersten Tagen in dieses Studio und strahlte nur aus: „Mein Gott. Was Menschen alles so treiben“. Und ich dachte, geht das, kann er die Rolle spielen, weil man merkte richtig den inneren Kampf und eine Distanz. Er guckte die Peitschen an, er guckte die Streckbank an und in seinem Gesicht war nur: “Nein, nein, was es alles gibt.“ Am zweiten Tag dachte ich, vielleicht muss ich mich mit dem Christoph zusammensetzen – ich fand ihn aber nicht. Mein erster Gedanke war, er ist geflohen und es kommt jetzt gleich ein Anruf: „Ich komme nicht mehr.“ Nein, der hing an der Decke. Weil er hat eine Domina getroffen und hat sie gefragt, für was die verschiedenen Gerätschaften so sind. „Ja mit dem hier kann man jemanden hochziehen. Für Bondage zum Beispiel.“ Also ließ er sich hochziehen. Kopfüber baumelte er im Raum: „Tut das gut. Das tut aber meinem Rücken gut.“ Er sah das als Gymnastik. Und jegliche Irritation war vorbei. Und das meine ich. Jeder nähert sich seiner Rolle an, wie er oder sie das für richtig hält. Wir haben auch schon einen Drehtag abgesagt. Wenn ich merke, die sind nicht gut drauf oder es kommt nichts oder jetzt müsste von meiner Seite aus ein Dressurakt kommen, dann lassen wir es lieber bleiben, dann gehen wir lieber was trinken oder essen und quatschen über die verschiedenen Funktionalitäten von BDSM-Geräten, zum Beispiel.
Und auch in der Postproduktion haben wir auch eine etwas andere Arbeitsweise. Ich entwickle die Ideen mit, mache die Regie bis zum letzten Drehtag und dann ist der Film für mich erledigt. Also, ich bin nicht im Schneidestudio, ich rede da überhaupt nicht rein, weil ich vom ersten Film an ein großes Vertauen in die Mira habe und weiß beim Schneiden, beim Komponieren des Films, so würde ich es nennen, verderben viele Köche den Brei. Und dann ist die Mira für drei Monate eigentlich nicht anwesend. Sie ist in ihrem Schneidestudio und dann irgendwann gibt es den ersten Rohschnitt und das einzige was ich dann tue, ich habe das Privileg, es als erster sehen zu dürfen. Und dann reden wir darüber und besprechen Änderungen und dann ist die Mira wieder verschwunden für einen Monat und dann zeigt sie mir das, was dann die Endfassung ist. Weil ich glaube an das Prinzip. Ich glaube daran, dass, wenn man mit Menschen zusammenarbeitet, egal auf welchem Feld, also auch beim Film, soll man immer auf die Einzelpersönlichkeit sehr viel wert legen. Man sollte nicht sagen, ich bin der Zampano und ihr habt alle dieser Idee zu folgen, sondern man sollte das Vertrauen, das Zutrauen und die Freude haben, mit Leuten zusammenarbeiten zu können, wo jeder auf seinem Gebiet was versteht. Und meine Aufgabe ist mehr die eines Dirigenten, der viele sehr gute Solisten dirigiert und nicht versucht, alle Instrumente selbst zu spielen. Man muss sich auch zurücknehmen können.
Und wenn wir einen Film machen, dann entsteht ein Minidrehbuch, das ist winzig dünn, winzig klein, und gilt eigentlich nur als Alibi, dass wir anfangen. Und dann treffen wir Leute, der Kreis erweitert sich. Durch die Recherche, weil wir machen beides gleichzeitig, kommt plötzlich eine neue Geschichte dazu, die wir uns gar nicht ausgedacht haben, sondern die wir erlebt haben, die wir jetzt als Grundlage für eine neue Szene nehmen. Dann schreiben wir drei, vier, fünf Seiten, die werden ganz normal geprobt, als hätte es tatsächlich ein Drehbuch gegeben und dann kommt die nächste Drehwoche, also der Film entsteht Stück für Stück. Und da fließen viele intellektuelle Gesichtspunkte rein, manchmal auch nur Geschwätz, aber letztendlich entscheiden wir ganz aus dem Bauch, wie wir die Szenen gestalten. Und oft sehr lange, nachdem ein Film fertig ist, finden wir – auch durch die vielen Gespräche mit dem Publikum – dann irgendwann auch noch eine intellektuelle Erklärung, warum er so ist, wie er ist.
Zuschauer 7:
Nun gut, nun sind das ja Themen, die sagen wir mal auf intellektueller Ebene seit langer Zeit auf verschiedenen Ebenen diskutiert werden. Soziologen, Philosophen, was weiß ich was alles, Religionswissenschaftler, alle möglichen Leute, die sich da Gedanken darüber gemacht haben. Die erste Frage wäre, stützt ihr euch auf solche Thesen, solche Erkenntnisprozesse? Und auf der anderen Seite, wenn ihr sagt, ihr geht so in die Praxis rein, ihr macht in Swingerclubs, in BDSM-Clubs und wo auch immer Recherchen, da waren ja wohl auch Leute dabei, die da mitgespielt haben, die ihr aus dieser Recherche irgendwie gewonnen habt, hat man dem Abspann entnehmen können – da ist ja dann eine ganz praktische Geschichte auf einmal. Auf der einen Seite die theoretische Erkenntnis und auf der anderen Seite die praktische Lebenserfahrung, die vielleicht auch eine Art von Erkenntnis ist. Wie kommt das zusammen? Oder auf was stützt ihr euch? Wenn du jetzt so sagst am Schluss, okay, der Film entsteht so beim Machen, da kommt da mal was dazu und hinterher haben wir eine Theorie, das glaube ich bei so einer Frage nicht. Also wenn du sagst, du kannst über Religion und Sexualität und Leben solange reden, verstehe ich auch sehr gut, dann glaube ich das nicht, dass man so einen Film nur so machen kann ohne eine Idee zu haben, die irgendwo einen Punkt vielleicht hat, der sich vielleicht ein bisschen verschiebt.
Roland Reber:
Dein Unverständnis kommt glaube ich daher, wenn man sich vorstellt, es gibt den Punkt X, den Startpunkt. Und da ist man ein unbeschriebenes Blatt und fängt dann an zu recherchieren und wird immer beschriebener. Das ist ja nicht so. Sondern wir sind ja ein Team, das seit sehr langer Zeit zusammenarbeitet und da geht es immer wieder um ähnliche Themengruppen. Und so ist auch das Thema Religion, Sexualmoral und christliche Geschichte natürlich ein seht langer Diskurs, der schon lange geführt wurde und wo man dann sagt, du, da gibt es doch diese Abhandlung von Karlheinz Deschner, da gibt es doch die Abhandlung von Georges Bataille und und und. Der eine Gedanke von ihm, kann man den visualisieren, kann man den in einer Szene darstellen. Und das meine ich ja mit dem kleinen Drehbuch, wo man dann sagt, gut, das ist so eine Art Notnagel. Und dann passieren eben Dinge, die niemand voraussehen kann, die auch gar nicht berechenbar sind, wie zum Beispiel, dass wir den ersten Drehtag im BDSM-Studio hatten, der nur für stille Impressionen, nur für das Filmen der Räume gedacht war. Und es war morgens um zwei, wir waren am Abbauen und plötzlich steht ein feiner Herr neben mir. Er hatte einen Trenchcoat an, einen Hut auf, war sehr würdig – ein pensionierter Landgerichtsrat, dachte ich. Und der dröhnte in mein Ohr: „Sir, ich habe eine Bitte.“ Sage ich, ja was kann ich für Sie tun? „Bitte nennen Sie mich Elfriede, ich bin das Dienstmädchen.“ Dann sage ich, ja, wenn Sie – „Nein, duzen Sie mich“. Dann sage ich, gut, wenn es dir hilft. Was kann ich für dich tun, Elfriede? Und dann fing der Mann an zu erzählen, er möchte bei dem Film mitmachen, 80 Jahre alt. Dann sage ich, Elfriede, es geht nicht. Seit 80 Jahren weiß kein Mensch, dass du hier im Tütü Elfriede bist. Ich verantworte das nicht, dass zu deinem Lebensabend plötzlich das Coming-Out kommt. Das solltest du auch nicht, weil du lebst jetzt in recht glücklichen Verhältnissen, also lass das so. Wir haben dann lange, sehr lange diskutiert. Und dann habe ich gesagt, er soll sich das eine Woche überlegen, weil ich hoffte, dann ist der spinnerte Gedanke weg. Nein, eine Woche später war er wieder da. b 55ollUnbedingt, er hätte eine ganze Woche überlegt, er will dabei sein. Dann haben wir, nur damit er Ruhe gibt und weil jetzt auch klar war, er ist nicht zu bremsen und er weiß was er tut und wir demaskieren ihn nicht, haben wir gesagt, gut, dann darfst du bei der Lady Maria als Staffage hinten dran stehen. Nach zwei Drehtagen kam ich mir sehr schofel vor, eigentlich könnte er ja auch was sagen, muss ja nichts Grosses sein. Und dann hatte er was Kleines und dann dachte ich, das wäre es. Und dann sitzen wir nach einem langen Drehtag morgens um zwei wieder in diesem Aufenthaltsraum der Dominas und der Mann erzählt mir eine Geschichte, die mich umgehauen hat. Dass er bei der Hitler-Jugend war, gar nicht wusste, was das ist, plötzlich ausgewählt wurde, weil er so gern Sport gemacht hat und auf diese Napola kam und plötzlich dabei war, Menschen zu bombardieren. Und sagt aber, er hat sich nichts dabei gedacht. Bis man ihn gefangen hat, ins Gefangenenlager gesteckt hat und ihm erst da klar geworden ist, wessen Geiste er da gedient hat. Und das war so ergreifend, dass wir gesagt haben, das würden wir gerne einbauen. Natürlich nicht als Originalgeschichte, sondern verfremdet. Aber so was kann man nicht intellektuell vorher wissen. So was entsteht. Und so verwandelt sich ein realer Mensch in eine Filmfigur.
KINOTOUR 2006
Filmausschnitt: STUDIO
Filmausschnitt: LEBE DICH
Filmausschnitt: GUMMISAU