
Roland Reber
Regisseur, Autor, Produzent
„Die Filme von Roland Reber sind Fundstücke eines unabhängigen Kinos, wie es selten ist in der internationalen Kinolandschaft.“ (Süddeutsche Zeitung, Fritz Göttler)
(* 11.8.1954 in Ludwigshafen – † 11.9.2022 in Unterdießen)
Roland Reber war Zeit seines Lebens Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, ein Rebell, Träumer und Phantast.
Reber begann schon in jungen Jahren mit dem Schreiben von Gedichten, Essays und Theaterstücken. Er machte zwei Jahre lang eine Ausbildung zum Krankenpfleger, bevor er 1976 an die Schauspielschule Bochum (unter der künstlerischen Leitung von Peter Zadek) ging, um Schauspiel zu studieren und sich vermehrt dem Schreiben zu widmen. Er spielte u. a. am Schauspielhaus Bochum, in Essen bei Hansgünther Heyme, in Düsseldorf, Lünen, Kingston/Jamaika, spielte in der SDR-Serie Die kleine Heimat an der Seite von Hanns Dieter Hüsch und hatte zahlreiche Gastauftritte mit seiner Interpretation von Dario Fo’s Mistero Buffo im deutschsprachigen Raum.
Schon in seinem ersten Spielfilm Ihr habt meine Seele gebogen wie einen schönen Tänzer von 1979 besetzte er die Rollen sowohl mit Profis, wie Ensemblemitgliedern des Bochumer Schauspielhauses, als auch mit begabten Laienschauspielern. Das Drehbuch diente als Vorschlag, das gesamte Team hatte gestalterisches Mitspracherecht. Diesem Prinzip ist Reber in all seinen weiteren Theater-, Film- und Buchprojekten treu geblieben.
1980 inszenierte Reber am Curio-Haus in Hamburg sein Theaterstück allsam, ein erlebtes Beziehungsdrama, das durch die intensive und drastische Darstellung für viel Aufregung sorgte: »Extase, Zärtlichkeit und Grausamkeit« (Hamburger Morgenpost). Der Skandal dieser Inszenierung war die Ehrlichkeit, mit der Sexualität und Gewaltfantasien auf der Bühne dargestellt wurden. Für manche war es pathologisch, für andere großes Theater. Das Theaterpathologische Institut (TPI) war geboren: »So wie in der Pathologie Leichen geöffnet werden, um die Ursache des Leidens festzustellen, will das Theaterpathologische Institut die Krankheit der Gesellschaft und des Theaters aufdecken.« (Roland Reber)
Das TPI, das sich etwas später Theater Institut (TI) nannte, hatte eine feste Spielstätte im Künstlerforum Schulenburg in Hattingen und ab 1985 am Heinz-Hilpert-Theater in Lünen.
Ab den späten 80ern zog es Reber als Theatermacher und privat in Länder wie Ägypten, Mexiko, Indien und vor allem nach Jamaika. Aus dem TI entwickelte sich 1989 das Welt-Theater-Projekt WTP (in Zusammenarbeit mit der deutschen, russischen, karibischen und mexikanischen UNESCO-Kommission im Rahmen der Weltdekade für kulturelle Entwicklung der Vereinten Nationen). Das Ensemble des Welt-Theater-Projektes setzte sich aus Künstlerinnen und Künstlern verschiedener Länder wie Jamaika, Deutschland und Indien zusammen, die im jeweiligen Land die Theaterstücke gemeinsam mir Reber entwickelten und aufführten – Theater als Dialog. In dieser Zeit war er Dozent für Schauspiel und Regie in Moskau, New Delhi, Kairo und der Karibik.
Um die Jahrtausendwende widmete sich Reber wieder ganz dem Film, es entstand die Künstlergemeinschaft wtp-kollektiv, ein dynamisches Team, das gemeinschaftlich Projekte gestaltet und inzwischen aus der Filmproduktion wtp international GmbH und dem wtp-verlag besteht – stets unabhängig, um die kreative Freiheit zu wahren.
Mit seinen Spielfilmen im Gepäck reiste Reber weiterhin um den Globus zu zahlreichen internationalen Filmfestivals, Publikumsgesprächen und Workshops, um über die Filme und seine Art des gemeinschaftlichen, unabhängigen Filmemachens zu diskutieren. Für seine Regie erhielt er sechs internationale Auszeichnungen. Er war internationales Jurymitglied bei den Filmfestspielen von Kairo, Alexandria, Sitges/Spanien, Fantasporto/Portugal und Dakha/Bangladesh. 2003-2007 war er offizieller Repräsentant des Cairo International Film Festivals für Deutschland und Generalrepräsentant für das Damaskus International Filmfestival für Europa.
Zu Hof hatte Reber eine besondere Beziehung. Schon im Oktober 1986 gastierte er mit seinem Stück allsam beim Hofer Herbst. 19 Jahre später wurde er Stammgast mit seinen Filmen bei den Hofer Filmtagen und diskutierte regelmäßig und leidenschaftlich mit dem Hofer Publikum, selbst als er nach einem Schlaganfall 2015 schon im Rollstuhl saß. Anlässlich seines Todes widmeten die Hofer Filmtage 2022 diesem »Ausnahmekünstler« und »Lebens-Rebell« die Hommage Roland Reber & wtp-kollektiv. Es war ein ergreifender Abschied von Roland und auch ein Aufbruch für das gesamte wtp-kollektiv, das diese Retrospektive begleitete, mit dem Publikum diskutierte und die neuen Projekte vorstellte. Denn auch wenn Roland wesentlicher Bestandteil des wtp-kollektivs war, so bleibt das wtp-kollektiv doch weiterhin kreativ mit neuen Film- und Buchproduktionen.
Die Veröffentlichung seiner letzten Werke wird er nicht mehr erleben, Reber starb 2022 einen Tag vor Drucklegung seines multimedialen Buches psst … Gedichte . Gedanken . Geschichten, seinem persönlichsten Werk, einer Art Quintessenz seines künstlerischen Schaffens.
Seine Worte und Ideen leben weiter.
Roland Reber über das Filmemachen
„Wir sind kein Konzern, der Filme produziert, sondern Filmemacher. Und das ist für mich ein kreatives Abenteuer und ein ganzheitlicher Prozess – und einer, der Spaß macht. Ich bin kein Dompteur, der Schauspielern oder der Filmcrew vorschreibt, wie sie zu funktionieren haben. Ich sehe mich eher als Dirigent, der die Solisten lediglich koordiniert und sie so zu einem harmonischen Orchester zusammenführt. Das ist meine Definition von Teamwork, also sind es auch nicht „meine“ Filme, sondern „unsere“ Filme.“
„Es wird ja inzwischen fast jedes Thema in den Medien flachgetreten: Man heiratet im Fernsehen, man kocht, sucht einen Partner, baut sein Haus um, rettet Tiere – alles wird zur multimedialen Show, alles wird inszeniert. Die aktuelle Mediensituation ist nur ein Spiegel unseres eigenen Lebens, das jeder für sich selbst inszeniert, aber halt nicht nach seinen Bedürfnissen, sondern nach dem, was für den Zuschauer bzw. die ›Einschaltquote‹ am wirksamsten ist. Ich mache mir erst Gedanken über eine Bedeutung, wenn der Film im Kino läuft und ich mit dem Publikum diskutiere. Wenn ich von vornherein eine vorgefertigte Interpretation hätte, hieße das dem Film, und letztendlich dem Zuschauer, die Vision der eigenen Gedanken zu nehmen. Ich sehe meine Art des Kinos als ein Abenteuer des eigenen Geistes, das zum Denken provoziert.“
„Die Arbeitsweise zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine ist. Ich lehne es ab, mich selbst in ein Korsett zu zwängen. Und wenn wir dann Interviews geben oder wenn wir vor Publikum sprechen, sieht das immer nach einem Stilmittel aus, sieht das immer nach einem, ja, fast Dogma aus, das ist es aber nicht. Ich wundere mich immer selbst, dass die Filme fertig werden. Ich wundere mich immer, wie sie dann aussehen. Und frage mich immer, wie konnte das passieren? Das ist unsere Arbeitsweise, dass wir keine haben. Kreativität vielleicht. Aber das gehört zu jedem Filmemachen dazu. Sollte es zumindest.“
https://www.youtube.com/watch?v=a4srB8_gyXY&t=1364s
Hier geht es zu den Nachrufen:
https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/kino-kino/index.html
https://www.wtpfilm.com/2022/09/der-narr-stirbt-in-einer-traenenreichen-nacht/
Der unabhängige Filmemacher Roland Reber ist tot – München – SZ.de (sueddeutsche.de)