Kapitel 1
Vers 1
Und als die Tage des Löwen zu Ende gingen, kamen die Monate des Lammes. Und man schlug die, die stark gewesen waren und man erhörte nur noch die, die gefolgt waren dem Metzger, der sie rief. Und ein großes Feuer wurde ausgetreten in der Nacht. Und die Dunkelheit wurde fast allmächtig. Zitternd standen nun die Lämmer da, und kein Hirte war sie zu führen. Und als es kalt wurde, in der feuerlosen Nacht, gingen sie eng zueinander, um sich Wärme zu geben und Trost. Doch es ging nur eine Kälte aus von ihren Leibern. So erfroren viele in diesen Monaten. Oder aber, wenn der Morgen kam, und sie zur Schlachtbank gerufen wurden, stellten sie sich auf in Reih und Glied und folgten ihrem Untergang. Das Messer lobten sie, bevor es sie stach. Und den Schlächter priesen sie in Liedern voller Klang, die tonlos verhallten in der endlosen Stille des Todes.
Kapitel 2
Vers 5
Und die Menschen setzten Priester ein, die preisen sollten die Tat des Feuerentfachers. Der Löwe sah es wohl und fragte sich, warum nicht jeder von ihnen das Amt auf sich nehme, sondern es delegiere.
Und die Menschen sandten einen Boten zu ihm, der sprach: »Nur wenige wissen dich richtig zu ehren. Und jene haben wir auserwählt, den Dank dir darzubringen, du großer Entfacher.«
Und der, der über alle Lust gebietet, antwortete ihnen: »Von allen Tieren mochte ich euch am meisten. Weil ihr die Unwissendsten wart unter den Tieren. Aber jetzt beginne ich euch zu hassen, denn ihr begreift nicht wenig, sondern nichts. Nämlich nicht zu verehren verlange ich, sondern zu begreifen. Ihr aber verwandelt meine Tat in Lehm und meine Kraft in Gesetze und meine Lust in Regelwerk. Seht ihr nicht die Fische oder die Vögel, ja seht ihr nicht den einfachen Wurm in der Erde? Alle nehmen die Lust zum Leben, aus dem der Tod wie ein Bruder heraustritt, als Natur an. Ihr aber, ihr Dummen, baut Steine um die freie Luft und Mauern um das Feld des Feuers. Wie wollt ihr atmen in euren Kerkern, wie wollt ihr euch wärmen hinter all den Wällen aus Stein?«
Kapitel 3
Vers 5
Und da nahm der Bringer einen Stein, den er weit von sich warf und der auf die Erde aufschlug, einem Donner gleich, ein kleines Kind unter sich erschlagend.
»Saht ihr den Stein, leblos in sich und doch fähig, Lebendiges zu erschlagen? Und wie der leblose Stein erschlug das Kind, so können tote Worte erschlagen des Menschen zerbrechliche Hülle. Und wahrlich, ich bringe euch Worte. Mehr, denn Steine liegen auf diesem Hügel.« Da blickten alle ihn an, vom Kinde bis zum Greis.
Das war der Augenblick, in dem der Glaube die Erde betrat wie ein Kind erschlagender Stein.
Kapitel 7
Vers 5
Aber an wolkenverhangenen Tagen, wenn der Abend sich nahte, konnte man auf einem kahlen Hügel manchmal eine Gestalt erahnen. Und die Gestalt hatte die Umrisse eines kleinen Tiers, das vielleicht nur ein vom Wind geformter Felsen war. Oder aber es war ein junger Löwe, der sein noch keimendes Haupthaar in den Wind hielt und aufriss sein Maul. Noch kam kein Schrei unbändiger Lust aus seiner Kehle, noch jagte heißes Begehren nicht durch die Luft und keine Hoffnung wurd’ vom Wind getragen in der Menschen erkaltetes Herz. Nur ein Wort, das nicht verboten, machte schnell den Weg von Mensch zu Mensch.