Das wtp-kollektiv bei den 56. hofer filmtagen 2022 mit einer Hommage an Roland Reber & Kollektiv
Dieses Mal waren die Hofer Filmtage sehr besonders. Nicht nur, weil wir gemeinsam Abschied von Roland nehmen konnten, wie es passender nicht geht, nämlich im Dialog mit dem Publikum und als großes Film-Fest, sondern auch, weil wir mit den 6 Filmen aus 2 Jahrzehnten, mit unserer Art und Weise, Geschichten zu entwickeln und zu erzählen, so viele Menschen neu begeistern konnten, die uns vorher noch gar nicht kannten. Wer wollte, konnte sich einen echten Reber & wtp-kollektiv-Marathon geben: drei Filme am Tag – und das wollten einige. Wir diskutierten und erzählten, wir zogen das Laternenlied singend mit Lampions durch die Innenstadt, es war fast wie ein letztes Geleit, denn das Laternenlied hat Roland sein Leben lang beschäftigt, es taucht in vielen seiner Theaterstücke und in all unseren gemeinsamen Spielfilmen auf.
So viele Erinnerungen ploppten zwischen Bratwurstbude und Kinosaal auf. Es war schön, zu sehen, wie wir uns entwickelt haben in den letzten Jahrzehnten. Ute ist schon seit 1985 dabei, sie spielte und organisierte mit Roland zusammen beim Theaterpathologischen Institut, ein wildes und freies Theaterensemble im Ruhrgebiet.
„Als ich dieses Jahr die Taschen packte, um nach Hof zu fahren, dachte ich, dass es diesmal eine schwere Reise in unsere Vergangenheit – über 30 Jahre gemeinsames Arbeiten mit Roland und wtp – werden würde. So war es dann auch immer wieder. Aber ganz wunderbar haben es die Hofer Filmtage geschafft, ein großes Fest für Roland, für uns – das wtp-kollektiv – und für die Zukunft zu zaubern“ (Ute Meisenheimer)
Ich selbst stieß 1994 beim Indien-Projekt dazu, da war aus dem TPI schon das internationale Welt-Theater-Projekt geworden. Claire begleitet uns seit 1997, als wir in Bayern Theater spielten und dann in die Filmproduktion wechselten, zu der 2000 Patricia dazukam, mit einigen anderen, die irgendwann wieder eigene Wege gingen, doch Patricia blieb.
„Wenn ich an unsere Zeit bei den 56. Hofer Filmtagen denke, dann erinnere ich mich zuallererst an den Enthusiasmus von Thorsten und dem gesamten Hofer Team, den Zuschauern, mit denen wir uns rege vor und nach den Filmen ausgetauscht haben, und der überall gegenwärtigen Herzlichkeit – nach Hof kommen ist wie heimkommen. Überall freudige Gesichter und anregende Gespräche.“ (Patricia Koch-Pritchard)
2007 klopfte Antje an und nach Rolands Tod sind wir fünf jetzt das bestehende wtp-kollektiv.
Die Hommage an Roland Reber & wtp-kollektiv bei den Hofer Filmtagen startete mit unserem ersten gemeinsamen Spielfilm das zimmer. 1999 in einer alten Schule gedreht (das Haus, in dem Jahre später eine Zeit lang Rita Falk wohnte, die Autorin der Eberhofer-Krimis, bei denen Eisi Gulp eine der Hauptrollen spielt, der 2019 in Rolands letztem Spielfilm Roland Rebers Todesrevue als Leichenfahrer zu sehen ist – Zufälle gibt’s …), der Dolly war ein Rollstuhl, wir hatten eine einfache, aber fernsehtaugliche Kamera, Ton und vier Filmlichter. Ich erinnere mich noch an den Schauspieler Gerd Fitz, dem wir zur gleichen Zeit ein Showreel zusammengestellt hatten, er sollte es am Drehort abholen. Durch das Fenster sahen wir sein Auto viermal an der Schule vorbeifahren. Wir wunderten uns etwas. Als er endlich eintraf, meinte er: „Ich konnte euch nicht finden, ich habe nach den vielen LKWs für das Licht- und Kameraequipment Ausschau gehalten.“ Tatsächlich passte damals unser gesamtes Kameraequipment noch in einen VW Beetle.
Oder die Entstehung von The Dark Side of our Inner Space. Ich sah bildlich Ute und Claire vor mir, wie sie den Generator (wir drehten in einer ehemaligen Kaserne, dort gab es keinen Strom) im heißen Sommer von 2003 von Halle zu Halle schleppten, viele Meter Kabel legten, Kerzen als natürliche Lichtquelle aufbauten, während die Schauspiel-Crew sich mit Roland in die kühlen Kellerräume zurückzog und die Szenen drehte. In den weitläufigen, aber sehr engen Kellergängen der Kaserne wurde heftig diskutiert, was denn das Große Spiel, das die Protagonisten in dem Film suchen oder spielen wollen, für jeden einzelnen von uns sein könnte. Beim Publikumsgespräch auf den Hofer Filmtagen stellte ich mir dann die gleichen Fragen wie vor 19 Jahren. Warum tun Menschen das? Für mich ist dieser Film ein Sinnbild für das Leben, für Beziehungen, Partnerschaften. Warum machen wir uns nicht einfach eine geile Zeit? Warum endet so vieles in Machtspiel, Intrige und Hass – so wie auch im Film gegen Ende das Große Spiel in willkürliche Machtausübung entgleist? Eine Antwort gibt der Film nicht. Das war Roland in allen Filmen wichtig, Fragen zu stellen, Gedanken anzustoßen und nicht eine vorgefertigte Antwort zu missionieren.
Wir zumindest haben uns eine echt geile Zeit während der Hofer Filmtage gemacht. Denn „Mitmachen lohnt sich!“ – und das ist für mich die Aussage von Rolands letztem Spielfilm, das Leben vor dem Tod zu leben und zu feiern, auch die beschissenen Tage, denn die gehören zum Leben, so wie der Tod, eben auch dazu.
Und so haben wir in Hof gefeiert, mit Lachen, mit Weinen, mit unserem „Werbeblock“ vor der Vorstellung (das ist ein Notizblock, den wir an das Publikum verteilten, mit dem Titelbild von Rolands letztem Werk, seinem multimedialen Buch psst … Gedichte . Gedanken . Geschichten, das am 11.11.2022 im Buchhandel erscheint), mit Gummibärchen und tollen Gesprächen – auch wenn Roland so sehr fehlt.
„Als uns die Moderatorin zur ersten Vorführung von das zimmer nach vorne, also vor die Kinoleinwand bat, um uns vorzustellen, sind mir sofort die Tränen in die Augen geschossen, denn in diesem Moment wurde mir schlagartig bewusst, dass Roland nie mehr dabei sein wird, wenn es wieder darum geht, einen Film von uns in die Welt und in den Dialog mit dem Publikum zu entlassen.“ (Antje Nikola Mönning)
Auch ich fühlte mich wie in einer emotionalen Achterbahn. Die Fahrt nach Hof war mühsam, es war komisch, ohne Roland zu fahren.
Und als wir endlich da waren, in einem emotionalen Ausnahmezustand, wurden wir mit so viel Herzlichkeit empfangen und plötzlich war alles ganz leicht.
„Bei den Hofer Filmtagen stehen die Filme und der Austausch mit dem Publikum im Mittelpunkt, der perfekte Rahmen für eine Hommage an Roland Reber. Ich habe es sehr genossen, diese als Teil des wtp-kollektivs mitzuerleben.“ (Claire Plaut)
Und es zeigte sich, dass der Kollektiv-Gedanke, die Gemeinschaft, auch nach Rolands Tod mit uns weiterlebt. Roland kämpfte immer für Unabhängigkeit, und dazu gehörte im letzten Schritt auch die Unabhängigkeit von ihm selbst.
Und als wir so zusammen durch die Hofer Altstadt streiften, in der Pizzeria saßen und auf das nächste Publikumsgespräch warteten, kam mir der Gedanke, wie gut Roland uns doch auf diesen Moment vorbereitet hatte – den Weg gemeinsam weiterzugehen, denn es war nicht nur sein Weg, sondern unser Weg, den wir eine Weile gemeinsam gegangen sind und jetzt ohne ihn weitergehen. Zwischen alten Geschichten, die durch die Filme wieder in mein Bewusstsein gespült wurden – ich sehe ja bei unseren Filmen nicht nur die Geschichte, sondern gleichzeitig läuft ein zweiter Film in meinem Kopf zu den jeweiligen Szenen, wie sie entstanden sind, ein paralleles Making Of sozusagen – tauchten bei uns schon Schnipsel für den nächsten Film auf: das Laternenlied in einer Karaoke-Bar, kleine Zitate aus den Filmen führen wie bei einem Suchspiel zu einem neuen Gesamtbild und auch Roland soll auftauchen, vielleicht nur als Bild im Hintergrund einer Szene, vielleicht fällt uns auch noch etwas Originelleres ein. Und wir wollen der Geschichte den Raum und die Zeit geben, die sie braucht, sich zu entwickeln. Ein Work-in Progress – Projekt. Und der Film soll natürlich wieder so rechtzeitig fertig werden, dass wir die Einreichfrist für die Hofer Filmtage schaffen. Wahrscheinlich noch nicht für das nächste Jahr, aber für 2024 …
(Text: Mira Gittner)
Hier der Link zu den Impressionen:
https://www.youtube.com/watch?v=vQQ26N2-lGM
Link zum clubgespräch mit dem wtp-kollektiv auf den 56. hofer filmtagen: